Henri Moser

Forschungsreisender, Sammler und Diplomat

geb. 13. Mai 1844 in St. Petersburg – gest. 15. Juli 1923 in Vevey

 

Henri Moser war der einzige Sohn des Uhren- und Industriepioniers Heinrich Moser. Er verlebte eine unstete Jugend, nachdem er seine Mutter als Sechsjähriger verloren hatte. 1865 trat er in den Fabrikationsbetrieb seines Vaters in Le Locle ein und unternahm bereits ein Jahr später eine ausgedehnte Geschäftsreise nach Russland. Erste Erfolge machten ihn leichtsinnig und arrogant, und als er nach seiner Rückkehr 1867 in Le Locle einen Skandal verursacht hatte – er züchtigte wegen eines kritischen Zeitungsartikels über ihn den vermeintlichen Autor, einen Lehrer vor dessen Schulklasse – versetzte der Vater Henri zunächst an den Hauptsitz seines Unternehmens nach St. Petersburg, brach jedoch aufgrund weiterer negativer Vorkommnisse 1868 endgültig mit dem Sohn und entliess ihn.

Henri unternahm eine erste Abenteuerreise durch Turkestan, welcher 1869/70 eine zweite durch Zentralasien mit den Stationen Taschkent, Samarkand und Buchara folgte. Während dieser Expedition liess er sich auf ein Grossgeschäft mit der Lieferung von Seidenraupeneiern ein, was in einem finanziellen Fiasko endete. 1873 verpflichtete ihn der schweizerische Bundesrat als Begleitperson des persischen Schahs Nasir ed-Din während dessen Staatsbesuches. Der Versuch einer Annäherung an seinen Vater und eines Wiedereintritts in das väterliche Geschäft scheiterte; der Vater verstarb 1874 und dessen zweite Gattin erbte das Uhrenimperium.

Auf seinen Reisen begann Henri Moser frühzeitig, Orientalia zu sammeln. Einige Raritäten stellte er erstmals 1876 in Schaffhausen aus. 1883 trat er seine grösste und wichtigste Reise nach Zentralasien an, auf der er durch den Emir von Buchara, den Khan von Khiva und den Schah von Persien empfangen wurde und seine orientalische Sammlung erweitern konnte. Er publizierte seine Reiseeindrücke und veranstaltete Wanderausstellungen in der Schweiz. Nach seiner Heirat unternahm er mit seiner Frau und dem russischen General Annenkoff eine weitere Reise durch Zentralasien und führte zudem Bewässerungsstudien im Serafschan-Tal durch.

Henri Moser wurde 1893 vom österreichischen Finanzminister Benjamin Kallay zum Generalkommissär für Bosnien und Herzegowina ernannt. In dieser Funktion gestaltete er u.a. die Pavillons für Bosnien-Herzegowina an den Weltausstellungen in Brüssel (1897) und Paris (1900). 1907 erlangte er nach manchen gescheiterten Unternehmungen durch eine erfolgreiche Spekulation in Kupferminenaktien ein grosses Vermögen und konnte das Familienschloss „Charlottenfels“, das er 1889 hatte veräussern müssen, wieder zurückkaufen. Dort brachte er seine inzwischen gut 4000 Exponate umfassende Orientalische Sammlung unter und katalogisierte diese. 1909 vermachte er das Schlossgut Schaffhausen, ebenso die Orientalische Sammlung, welche Schaffhausen jedoch ablehnte, da Moser verlangte, dass diese permanent in einem eigenen Gebäude auszustellen sei. Dagegen erklärte sich Bern bereit, einen Anbau zu bewerkstelligen, was Henri veranlasste, diese einzigartige Sammlung dem Bernischen Historischen Museum zu vermachen. Bern ehrte ihn dafür mit der Ehrendoktorwürde der Universität Bern und der Ehrenbürgerschaft der Stadt Bern. Von den vielen Ehrungen, die ihm international zuteil wurden, sei stellvertretend diejenige des Ritters der Ehrenlegion erwähnt.

1915 wirkte Henri Moser während einer kurzen Zeit als Etappenkommissar für Kriegsflüchtlinge. Die Orientalische Ausstellung wurde 1922 in Bern eröffnet, anlässlich welcher Feier Henri eine Dankesrede hielt. Die Orientalische Sammlung blieb bis 1969, und wieder von 1989–2003 ausgestellt.